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Blog: Streckenrecherche Ostseeküsten-Radweg Schleswig-Holstein - 5. Etappe Fehmarn-Rundfahrt am 01.10.12
Es ist mir bereits von früheren Streckenrecherchen her bekannt, daß man für die Fahrt über den Fehmarnsund auf einen schmalen, so genannten Betriebsweg direkt neben der viel befahrenen Vogelfluglinie angewiesen ist. Die Obrigkeit weiß um die zu geringe Breite und gestattet daher das Radfahren nicht, unsereins soll absteigen und sein Velo schieben. Wieder ein schönes Beispiel für vielleicht noch ausreichende Fach-, aber ungenügende Sachkenntnis (s.a. Blogbeitrag vom 29.09.12). Beim Schieben eines Zweirades braucht man nämlich mehr Platz, als beim Fahren, und der sog. Betriebsweg ist dafür zu schmal. Für Trikes und zweispurige Anhänger ist er vollkommen ungeeignet, denn wie und wohin soll man bei Gegenverkehr ausweichen? Eines Fernradwanderweges ist das unwürdig!
Nur so nebenbei: Die Ab- bzw. Auffahrt auf Fehmarn ist noch schlechter, zwei (sichere) Radler kommen so gerade eben und eben aneinander vorbei. Und wenn nicht kullert der talseitige halt …
Dafür ist die Wegweisung auf Fehmarn sehr gut und ein gutes Vorbild für den übrigen Ostseeküsten-Radweg, für den das Kompliment leider nicht uneingeschränkt ausgesprochen werden kann. Den Gedanken habe ich noch nicht zu Ende gedacht, da kommt mir auch schon eine Reiseradlerin entgegen, und zwar eine von der Hardcore-Fraktion: mit Licht (bei strahlendem Sonnenschein), kompletter Packtaschenausstattung von Ortlieb (nichts gegen die, gute Qualität), die auch randvoll zu sein scheinen, Radklamotten einschließlich Handschuhen und Helm, und der nötigen Verbissenheit (sie überholt gerade zwei radelnde Rentner und muß doch noch vor mir wieder einscheren, denn am Schutzblech von Stina klebt ein Pkw - au weia!
Kurz vor Albertsdorf überhole ich ein Pärchen, das meinen Gruß freudig erwidert. Kurz nach Albertsdorf treffe ich sie wieder, doch nun kommen sie mir entgegen. Da lachen alle drei. Ein Blick in die Karte hilft bei der Aufklärung des Rätsels: Die beiden sind - wie ich von Strukkamp aus kommend - an der Kreuzung südöstlich von Albertsdorf nach Norden gefahren. Ein kleiner Umweg, gewiß, aber dafür haben sie mehr von der Gegend gesehen.
Kurz vor Lemkenhafen komme ich an einem Knick vorbei und erinnere mich, daß ich dort mal einen Plattfuß repariert habe. Es war nämlich so windig, daß ich mich hinter den Knick flüchten mußte, um überhaupt hören zu können, wo das Loch ist.
Heute komme ich einen Augenblick zu spät am dortigen Hafen an. Oder genau richtig? Jedenfalls zottelt vor mir ein Trecker mit einer Yacht auf dem Hänger mit dem tollen Kennzeichen „EN DE 80“. Wer? Der Anhänger? Der Fahrer?
Egal, denn jetzt kommt der erste Abschnitt, der auf einem nicht extra befestigten Deich zurückzulegen ist. Für mich als gebürtigen Hamburger immer noch ein Unding; denn man beschädigt ungewollt die Grasnarbe, die ja einen wesentlichen Teil des Schutzes darstellt. Dieses Jahr ist das besonders gut zu sehen; denn der grasfreie Pfad ist fast so breit wie ein schmaler Gehweg. Das ist möglicherweise auch der regen Nutzung durch die Kiter geschuldet, ein im Übrigen nach meiner Erfahrung eingebildetes Volk, das auf dem Wasser wie ein Hamster im Laufrad Ski fährt; denn sie kommen nirgends hin, fahren immer nur hin und her. Das ist wie Radfahren im Fitness-Studio.
Nach dem kleinen Dorf Püttsee folgt der erste Abschnitt auf einem Schafsdeich, also einem Deich, der einerseits seiner Funktion noch gerecht wird, da vollständig mit Gras bewachsen, der andererseits aber als Radfernwanderweg nicht taugt. Nicht umsonst will ein älteres Paar, dem ich dort begegne, wissen, wie weit es denn noch sei.
Ich würde immer nur meckern, meinen Sie? Also erstens lebe ich seit 1978 in der Hauptstadt, wo es als unhöflich gilt, wenn man sich nicht beklagt. Zweitens bin ich durchaus bereit, ein Lob auszusprechen, wenn es denn angemessen ist. Z.B. wegen der kurz nach Bojendorf beginnenden sagenhaften „Rennstrecke“ hinter dem Deich. Obwohl endlich mal so recht in Schwung gekommen, fällt mir auf, daß es Zeit für eine kleine Pause wäre, schließlich beschert Petrus nicht nur Rückenwind, sondern auch wieder herrlichsten Sonnenschein.
Bei einem Stichweg pausiere ich also, und gerade als ich wieder los und auf die Rennstrecke einbiegen will, nähert sich ein Pärchen - natürlich auf dem Rad; denn motorisierte Fahrzeuge sind dort verboten. Okay, denke ich, die haben Rückenwind, die läßt Du besser vor, obwohl ich von rechts komme. Aber die beiden sind trotz der Unterstützung durch Petrus ziemlich langsam, also geben Stina und ikke Gas. Den Blick der Frau hätten Sie sehen sollen! Oder anders formuliert: Wann werden Stina und ich lernen, sich zu benehmen?
Unter diesen Umständen nie! Der Rückenwind ist so stark, daß einem die Radler in Gegenrichtung leid tun, und die beiden fahren im Schneckentempo. Haben sie etwa wegen des Rückenwinds gebremst?
Beim nächsten Schafsdeich stelle ich fest, daß er bei Sonnenschein gar nicht so schlecht zu befahren ist, vor allem wenn man schon weiß, was einen erwartet. Aber im Sinne Radfernwanderweg ist und bleibt es eine Zumutung!
Noch auf diesem Schafsdeich radelnd treffe ich unweit vom Leuchtturm Westermarkelsdorf zwei Frauen und einen Köter. Der arme Hund wird gezwungen, Platz zu machen, und ich sage im Vorbeifahren: „Dabei bin ich doch gar nicht so schnell!“ Eine Frau und (gefühlt) der Hund lachen, aber sein Frauchen nicht. Schade!
Dieser Schafsdeichabschnitt und der sich anschließende auf für Radreisende im Grunde ungeeigneten Wegen ist recht lang (ca. 12 km), aber dafür ist man eben auch der Küste sehr nah. Wie immer im Leben hat alles seine Vor- und Nachteile. Die Landschaft ist schon ziemlich abgefahren hier, mal wirkt die Küste schon beinahe fruchtbar, soviel Grün ist zu sehen, mal sehr karg (Heide, Birken und Dünengräser bestimmen dann die Szenerie). Und um die Reiseradler ein bißchen herauszufordern, graben irgendwelche Tiere ihren Bau mitten auf dem Weg. Große Tiere, schließlich kann ein (kleines) Rad im aufgewühlten Sand versinken. Welche Tiere? Bin ich Zoologe, oder was?
Meinen Vorsatz, im Border-Shop in der Cafeteria einen Kaffee zu trinken, kann ich nicht in die Tat umsetzen; denn sie mußte einer Verkaufsflächenerweiterung weichen - Skandal! Dafür darf ich wieder einmal in die leuchtenden Augen der SkandinavierInnen schauen, die auf den Shop zuströmen. Wie Kinder, die dem Weihnachtsmann begegnen.
Von Puttgarden nach Burgstaaken ist es ein ordentliches Stück, vor allem wenn einem der Hintern mangels nennenswerter Anstrengung allmählich weh tut, und zwar trotz der sehr guten Federung von Stina (ein Riese & Müller Delite). Doch irgendwann komme ich an und kehre im „Café Kontor“ ein. Was für eine Torte, was für eine Bedienung, einfach klasse!
Zum Ende der Fehmarnrunde gedachte ich, mir ein Bierchen im Ort Fehmarnsund zu gönnen. Da war doch ein Gasthof mit Aussicht auf die Brücke, ganz sicher! Hat aber schon geschlossen, Saisonende. Okay, nach geschlossener Cafeteria im Bordershop paßt das doch. Also ab auf die Brücke, und sorry, die Fahrt über den Fehmarnsund ist schon geil! Ach so, ich vergaß, natürlich der Spaziergang. Oder anders formuliert: Radfahrer absteigen, Autofahrer aussteigen!
Die Nacht verbringe ich zwar in Großenbrode, fahre aber für das Abendbrot noch nach Heiligenhafen. Dabei muß auch für die nötige Flüssigkeitsaufnahme gesorgt werden, so daß ich schließlich satt und duhn Stina auffordern muß: Bring' mir nach Hause!
Allzeit gute Fahrt!
P.S.: Das Ergebnis der Recherchen - und der "Heimarbeit" - finden Sie hier -> Ostseeküsten-Radweg Schleswig-Holstein: Etappe 6 Fehmarn-Rundfahrt.
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